Sind unsere Smartphones smarter als wir?

Wir sehen das Smartphone wie den Rechner auf Desktop und Schoß als Helfer und Unterstützer an. Doch hat sich nicht das Verhältnis schon längst gedreht?

Eine vergnügliche Lektüre hat uns der Kollege Peter Müller am Wochenende beschert: Im aktuellen "Süddeutsche Zeitung Magazin" beschwert sich Axel Hacke über die Apple Watch . Seine Beschwerde ist anders gehalten als die üblichen Beiträge in den gängigen Foren oder gleichnamigen Facebook-Gruppen (Wie kann auch auf eine Whatsapp auf der Watch antworten? Welche Apps nutzt ihr zum Schlaftracking etc). Nein, seine Beschwerde ist von existentieller Natur: Die Uhr, für die man viel Geld ausgegeben hat, erdreistet sich, über ihren Besitzer zu meckern, wenn dieser zu wenige Schritte getan hat. Andererseits lobt die Watch, wenn einer der Aktivitätsringe oder alle drei geschlossen sind. Kurzum, ein Mensch, die Krone der Schöpfung, muss sich gefallen lassen, von einem Stück Plastik und einem Haufen Halbleiter bewertet zu werden. Geht's noch?

Doch, das geht und schon ziemlich lange. Bei der Apple Watch sind vielleicht die Anweisungen sehr auffallend, weil sie den Nutzern zu den Handlungen außerhalb des Geräts verleiten (sollen). Apple und andere Hersteller nutzen hier die sogenannte Gamifikation, also eine spielerische Herangehensweise zur Bewegung und Gesundheit und weitere Motivationstricks , um den Nutzer für mehr Sport zu überzeugen. Doch diese Nutzersteuerung hat nicht mit der Apple Watch und anderen Fitness-Geräten angefangen. Jeder von uns hat schon mal eine im besten Fall missverständliche, im schlimmsten Fall eine zweideutige Nachricht geschickt, nur weil der Rechner oder das Smartphone gedacht hat, dass in dem Satz "Brüste" statt "Bürste" eher passen wird. (Übrigens, für jeglichen Fehler in diesem Text ist die Autokorrektur am Mac zuständig, jeder brillante Gedanke stammt selbstverständlich von der Autorin dieser Zeilen).

Doch die Autokorrektur ist noch das harmloseste Beispiel. Beim Umstieg von Google Maps auf die eigene Entwicklung sah sich Apple mit heftiger Kritik konfrontiert, in diesem Fall völlig zurecht, denn einige Fahrer mussten von der Polizei abgeholt werden , nachdem sie sich allzu sehr auf die Anweisungen von ihrem iPhone in einem australischen Naturschutzgebiet verlassen haben. Seit iOS 12 gibt es eine Funktion, die an Dreistigkeit kaum zu überbieten ist: Nach einer bestimmten Zeit verweigert das iPhone seine Dienste oder schließt bestimmte Apps. Bildschirmzeit heißt die Funktion und soll den Nutzer davor schützen, allzu viel Zeit beim Zocken oder auf Facebook/Instagram/Twitter zu verplempern. Ist das aber nicht auch eine Art Bevormundung?

An sich schon, wie alle anderen gebrachten Beispiele. Doch manchmal bzw. ziemlich oft ist ein Mensch sehr irrational, ohne dies selber zu merken, Krone der Schöpfung hin oder her. Wir werden nicht soweit gehen und behaupten, man muss den Nutzer vor sich selbst schützen, das nimmt die freie Entscheidung weg. Manchmal ist aber sehr nützlich sich selbst vernünftige und vor allem freiwillige Grenzen zu setzen. Ob sich bei der Einhaltung dieser Grenzen das eigene Gewissen oder halt die Apple Watch meldet, ist dann schließlich egal. Eine Apple Watch oder allgemein ein Gerät wären in dem Fall sogar zuverlässiger, weil sie keine Ausreden dulden à la "Das mache ich morgen, versprochen!"