Kindle Paperwhite, Kobo Aura, Sony PRS T3 und Tolino Shine im Praxistest

Der Kindle von Amazon war bei den Ebook-Readern stets das Maß aller Dinge, doch jetzt rüstet die Konkurrenz auf. PC-WELT hat die vier wichtigsten aktuellen Lesegeräte für digitale Bücher getestet.

Rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft haben die wichtigsten Hersteller von Ebook-Readern neue Geräte herausgebracht: Amazon hat seinen Kindle Paperwhite 2 überarbeitet ebenso wie die Allianz aus Deutscher Telekom und mehreren Buchketten ihren Tolino Shine 2. Sony bringt mit seinem PRS T3 ebenfalls ein überarbeitetes Modell, der knapp 150 Euro teure Reader Aura des kanadischen Herstellers Kobo ist sogar ganz neu entwickelt.

Vier Ebook-Reader im Vergleich

Auf den allerersten Blick unterscheiden sich die Geräte nur wenig: Alle vier verfügen über einen sechs Zoll großen Schwarz-Weiß-Bildschirm mit einer Auflösung von ca. 1.024 x 760 Pixeln. Die dabei verwendete E-Ink-Technik bietet im Gegensatz zum Smartphone- oder Tablet-Bildschirm den großen Vorteil, dass die matten Displays selbst im hellen Sonnenlicht draußen völlig problemlos lesbar sind – gerade im Urlaub ein unschätzbarer Vorteil. Darüber hinaus verbrauchen sie nur minimal Strom, nämlich nur beim Umblättern. Selbst während eines dreiwöchigen Urlaubs müssen sie damit nicht an die Steckdose zum Nachladen.
So weit die Theorie. Denn bis auf den Sony-Reader verfügen die Testkandidaten inzwischen eine zuschaltbare integrierte Beleuchtung. Nutzt man sie, zerrt das natürlich am Akku, die Laufzeit sinkt je nach Gerät deshalb von mehreren Wochen auf 14 bis 44 Stunden. Ob man einen Reader mit Beleuchtung braucht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Denn objektiv benötigt man sie nur zum Lesen im Dunklen, also beispielsweise im Bett, während der Partner schon schläft. Darüber hinaus sorgt das Hintergrundlicht für einen subjektiv weißeren Papiereindruck.

Der im Vergleich zu vielen Tablet-PC kleine 6-Zoll-Bildschirm ermöglicht nicht nur für ein kompaktes Gerätedesign. Auch das Gewicht mit maximal gut 200 Gramm sorgt dafür, dass man das Gerät lange ohne Mühe in den Händen halten kann. Selbst das neue iPad Air von Apple ist mit 477 Gramm fast zweieinhalbmal so schwer.

Preislich liegen die neuen Modelle zwischen aktuell 89 Euro für den Tolino Shine 2, 99 Euro für den Sony-Reader, 129 Euro für das Amazon-Gerät und knapp 150 Euro für den Kobo Aura. Die Preisunterschiede sind also durchaus beträchtlich.

Wirrwarr: Preise, Formate, Auswahl und Kopierschutz

Neben dem Preis für die Lesegeräte kauft man mit einem Reader aber auch ein ganzes Ökosystem, insbesondere bei Amazon. Denn der US-Online-Händler arbeitet im Gegensatz zum offenen ePub-Format, dass alle anderen verwenden, mit dem Kindle-eigenen AZW-Format (und dem neuen AZW3). Da aber praktisch alle kommerziellen Bücher mit einem Kopierschutz versehen sind, gibt es keine legale Möglichkeit, Ebooks im Kindle-Format auf die anderen Lesegeräte zu übertragen – und umgekehrt ebenso wenig.

Wer also einen Kindle kauft, bindet sich an eng und für immer an Amazon. In der Theorie ist das ePub-System der anderen Lesegeräte offener, denn man muss seine Digitalbücher nicht bei dem auf allen Readern im Test vorinstallierten Buch-Shop kaufen. In der Praxis dagegen ist der Einkauf bei einem x-beliebigen Online-Buchhändler – ausgenommen wieder Amazon – wegen des digitalen Rechte-Managements ziemlich mühsam. Das dafür erforderliche Verwaltungsprogramm Adobe Digital Editions, mit dem man gekaufte, DRM-geschützte Ebooks über den Umweg des PCs für den eigenen Reader freischalten kann, ist durchaus als umständlich zu bezeichnen.

Die Preise für deutsche Ebooks sind, unabhängig vom Format, übrigens überall gleich. Denn auch für sie gilt eine eigene Buchpreisbindung. Damit kosten die Ebooks allerdings keineswegs so viel wie ihre gedruckten Pendants, meist sind sie zwischen 10 und 20 Prozent günstiger – neben dem Platzaspekt ein wichtiges Argument für Vielleser, das für Ebooks spricht. Englischsprachige Bücher unterliegen dagegen keiner Preisbindung, hier kann jeder Händler den Preis selbst festlegen. Der Kauf selbst funktioniert übrigens inzwischen überall schnell und problemlos.

Wie steht es nun bei Auswahl und Angebot, denn nicht jedes (gedruckte) Buch ist zwangsläufig auch als Ebook verfügbar. Nach unseren Stichproben steht Amazon sowohl bei den aktuellen Bestsellern der Spiegel-Liste als auch bei älteren und englischen Büchern mit gut 90 Prozent Verfügbarkeit an der Spitze. Thalia auf dem Tolino Shine ist bei deutschen Beststellern zwar ebenfalls gut aufgestellt, schwach aber bei englischen Büchern – genau umgekehrt ist es bei Kobo. Deutlich besser sieht es da beim Angebot im Sony Reader Store aus, zudem können Besitzer des PRS T3 alternativ auch auf ihrem Lesegerät bei Ebook.de einkaufen.

Auch beim Ausleihen von Ebooks gibt es Unterschiede: Das digitale Ausleihsystem Onleihe, bei dem viele deutsche Orts- und Stadtbibliotheken mitwirken, unterstützt das Amazon-Format nicht. Kindle-Besitzer können nur über die Kindle-Leihbücherei und die Prime-Mitgliedschaft für 29 Euro pro Jahr monatlich ein Buch ausleihen.

Welches der Lesegeräte ist nun also das Beste? Im Detail unterscheiden sich die vier Lesegeräte deutlich, nicht nur bei der der gerade erwähnten Infrastruktur, sondern auch bei den Funktionen, der Bedienung, der Performance und der Akkulaufzeit. Am Schluss des Artikels finden Sie eine ausführliche Tabelle mit alle Details zu den vier Testkandidaten.

Amazon Kindle Paperwhite 2 im Detail

Das erste Kindle-Modell mit beleuchtetem Display zeigte im Test noch Schwächen und eine ungleichmäßige Beleuchtung, die sind beim Paperwhite 2 nun behoben. Auch sonst glänzt der neue Reader, den es für 60 Euro Aufpreis (189 Euro) auch als 3G-Modell mit integrierter SIM-Karte gibt, in jeder Disziplin: Einfache und flüssige Bedienung, schnelle Seitenwechsel (ca. eine halbe Sekunde), ein herausragendes Display, bei alle Buchkategorien die größte Ebook-Auswahl, der ebenfalls einfache und schnelle Buchkauf, neue Zusatzfunktionen wie der Vokabeltrainer, der Kindermodus mit Zeitvergaben und ähnlichem sowie PageFlip (schnelles Springen an andere Textstellen) und die Synchronisation mit den Reader-Apps (Android, iOS, Mac und PC), welche Inhalte, Lesezeichen, Lesefortschritt und vieles mehr über alle Geräte synchronisiert.

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Nur die Akkulaufzeit von gut 14 Stunden bei voller Beleuchtungsstärke enttäuscht im Vergleich. Außerdem sorgt das kapazitive Touch-Display dafür, dass sich der Kindle Paperwhite mit gewöhnlichen Handschuhen nicht bedienen lässt. Wer im Winter an der Bus- oder Bahnhaltestelle lesen und blättern will, bekommt also kalte Finger. Schließlich bindet man sich mit dem Paperwhite ganz an Amazon – was man gut oder schlecht finden kann.

Kobo Aura im Detail

Viele der Kindle-Beschreibungen gelten auch für den in Deutschland weniger bekannten Kobo Aura des gleichnamigen kanadischen Herstellers: Flottes Gerät mit schnellem Seitenwechsel, sehr gutem, ebenfalls kapazitivem Bildschirm und einfacher Bedienung inklusive eines problemlosen Firmware-Updates während der Testphase. Außerdem hat der Kobo Aura als einziger Reader im Test eine völlig ebene und durchgängig verglaste Oberseite und ist mit einem Gewicht von 172 Gramm der leichteste Reader von allen.
Auf der anderen Seite fällt für Leser deutscher Ebooks das vergleichsweise kleine Buchangebot sowohl bei Bestsellern als auch anderen Werken negativ zu Buche – ganz im Gegensatz zur großen Auswahl bei englischer Literatur. Man kann zwar Bücher auch über den PC bei anderen Online-Buchhändlern kaufen und dann per USB auf den Aura übertragen, das ist aber wegen des Kopierschutzes der meisten Ebooks vergleichsweise mühsam.

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Die Akkulaufzeit beträgt etwas mehr als 19 Stunden und liegt damit zwischen der der beiden übrigen Geräte mit Leuchtanzeige, dem Kindle Paperwhite und dem Tolino Shine. Der Preis ist mit knapp 150 Euro der höchste von allen, auch angesichts der deutlich ungleichmäßigen Display-Beleuchtung im Vergleich zu hoch.

Sony PRS T3 im Detail

Das neue Reader-Modell von Sony ist der einzige Testkandidat ohne integrierte Display-Beleuchtung. Stattdessen bietet der Hersteller für einen Aufpreis von 30 Euro (129 Euro) ein Modell mit eingebauter Lampe. Ob man beim Ebook-Reader überhaupt eine eingebaute Beleuchtung benötigt, ist auch eine Glaubenssache: Schließlicht gibt es die bei gedruckten Büchern auch nicht. Darüber hinaus geht einer der großen Vorteile der Ebook-Reader, die lange Akkulaufzeit von mehreren Wochen, mit zunehmender Leuchtstärke verloren.

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Ansonsten aber muss sich der PRS T3 nicht hinter seiner Konkurrenz verstecken: Der Seitenwechsel dauert auch hier nur eine halbes Sekunde, das E-Ink-Display an sich hervorragend und reagiert dank Infrarottechnik auch auf Berührungen mit Handschuhen – oder man blättert gleich über die beiden Vor- und Zurück-Tasten. Denn der Sony-Reader ist der einzige, der sich nicht nur über den Touchscreen, sondern auch über insgesamt fünf Funktionstasten steuern lässt. Insgesamt ist die Bedienung einfach und schnell erlernt, nur der Wechsel vom Hoch- ins Querformat und zurück ist alles andere als intuitiv.

Positiv ist anzumerken, dass auf dem Gerät selbst neben dem Sony Reader Store auch der Buch-Shop Ebook.de zum Bücherkauf zur Verfügung steht. Schließlich ist der PRS T3 im Gegensatz zum Kindle Paperwhite und Kobo Aura in der Lage, PDF-Dokumente neu zu umbrechen, um besser auf dem nur sechs Zoll großen Display lesen zu können (PDF Reflow). Zwei Besonderheiten zum Schluss: Mit dem Finger oder einem Stift kann man auf dem Display schreiben oder Zeichnungen erstellen. Außerdem verfügt das in drei Farben erhältliche Lesegerät als einziges über eine integrierte Schutzhülle. Fazit. Alles in allem eine solider, guter Reader.

Tolino Shine 2 im Detail

Die erste Version der Gemeinschaftsentwicklung von Deutscher Telekom und den Buchhändlern Thalia, Hugendubel/Weltbild sowie Bertelsmann konnte im Test nicht recht überzeugen: Zu hakelig, zu wenige Funktionen und zu wenig Performance lauteten die Kritikpunkte im Frühjahr 2013. Positiv fiel das erste Tolino-Modell dagegen mit einer guten Shop-Integration und einer extrem langem Akkulaufzeit auf.

Insgesamt, so das vorweggenommen Fazit, hat der neue Tolino 2 deutlich aufgeholt. Das gilt sowohl für klassische Reader-Funktionen wie Anmerkungen, Markierungen oder das Sortieren der Ebooks in Bibliotheken als auch für die Performance. Die früheren ständigen „Bitte warten“-Meldungen gehören der Vergangenheit an, wenngleich auch das neue Gerät zum Teil noch deutlich langsamer reagiert als die Konkurrenz. Der Seitenwechsel dauert mit etwa einer Sekunde rund doppelt so lange wie bei Kindle und Co, in der Praxis stört das aber kaum – abgesehen von zum Teil weiter vorhandenen klötzchenhaften Seitenaufbau von PDF-Dateien.
Für die Praxis wenig relevant ist, dass der Reader nur drei Buchformate unterstützt und keine Bilder anzeigt. Denn praktisch alle Ebooks liegen ohnehin in diesen Formaten vor und die Fotodarstellung auf grauem Bildschirm ist auch auf den anderen Geräten keine ernste Alternative zum Smartphone. Mit fast 44 Stunden Akkulaufzeit bleibt die zweite Version absoluter Spitzenreiter.

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Obwohl von der Hardware gleich, unterscheiden sich die Tolino-Modelle je nachdem, bei welchem Buchhändler man ihn kauft. Der Grund: Der vorinstallierte Ebook-Shop ist fest im Gerät implementiert, nachträglich kann man also nicht zwischen Thalia, Bertelsmann und Hugendubel/Weltbild wechseln. PC-WELT hatte die Thalia-Version im Test, die Implementierung des Shops ist gelungen, der Kauf der Bücher funktioniert schnell und einfach. Auch reicht die Auswahl bei deutschen Ebooks fast an das Angebot von Amazon heran, nicht dagegen bei englischen Werken.

Wieder eine Besonderheit zum Schluss, die aus der Kooperation mit der Deutschen Telekom resultiert: Mit dem Tolino Shine kann man per WLAN an rund 20.000 Hotspots Bücher nachkaufen, ohne für den Zugang extra bezahlen zu müssen. Schließlich bietet der Tolino Shine 25 GByte Online-Speicher in der Telekom-Cloud, zusätzlich zur bis zu 32 GByte großen Micro-SD-Karte im Reader selbst – Platz für rund 60.000 Bücher!

Fazit: Testsieger Amazon Kindle Paperwhite 2

Trotz mancher neuer Funktionen lautet ein Fazit des Tests: back tot he roots. Denn auf zwischenzeitliche Gimmicks wie das Abspielen von MP3-Dateien oder das Vorlesen von Texten verzichten die Hersteller aller Testgeräte inzwischen wieder. Das Lesen an sich steht klar im Vordergrund. Selbst die nach wie vor meist vorhandene Anzeige von Bildern oder die Browser-Funktionen dienen höchstens für den absoluten Notfall – das kann jedes noch einfache Smartphone viel besser!

Den Vergleich der vier Reader entscheidet – wieder einmal – Amazon für sich. Das liegt nicht nur an der Hardware, sondern auch am Gesamtsystem, also dem Buchangebot, der Integration aller Dienste, den vielen zusätzlichen Funktionen und den Apps für andere Geräte. Nur bei der Akkulaufzeit imt LED-Betrieb sollte Amazon nachmessern.

Man kann sich aber auch gegen den US-Riesen entscheiden und bekommt im Gegensatz zu früher dennoch ein gutes Lesegerät: und zwar bei allen drei Konkurrenten. Hier liegt die Entscheidung im Detail: Für den Kobo spricht das schicke, kleine und leichteste Gerät, der Sony PRS T3 ist ein guter Allrounder, dem allerdings die Display-Beleuchtung fehlt. Und der Tolino Shine 2 schließlich hat gegenüber der ersten Version deutlich aufgeholt, der mit der Anbindung an die vielen Tausend Telekom-Hotspots und der mit Abstand längsten Akkulaufzeit glänzt.

Preisbewusste können kurz über den von Amazon nach wie vor angebotenen „normalen“ Kindle ohne Touch- und Leucht-Display nachdenken. Das Modell aus dem Jahr 2011 überzeugte im Test ebenfalls, wenngleich es weniger Komfort bietet als der Kindle Paperwhite 2. Das Amazon-System aber funktioniert auch darauf hervorragend und das Display ist ebenfalls sehr gut – alles zum Preis von 49 Euro, im stationären Einzelhandel zum Teil sogar für nur 39 Euro. Ein normaler Tablet-PC dagegen ist hinsichtlich Akkulaufzeit und Lesevergnügen im Freien keine Alternative zum echten Ebook-Reader.