KI: Der nächste Schritt in der menschlichen Evolution

Nicht jede Technologie, die einen Hype ausgelöst hat, erweist sich auch als tatsächlich bahnbrechend und revolutionär. Und doch kann es sein, dass wir vor wirklich tiefgreifenden Veränderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stehen. Die menschliche Intelligenz wird dabei nicht mehr das Maß aller Dinge sein – Künstliche Intelligenz ist der nächste Schritt in der Evolution.

Dieser Beitrag ist der Auftakt zu einer Artikelserie über das Zusammenspiel diverser Zukunftstechnologien und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Der Futurist Xerxes Voshmgir wird in Folgeartikeln auf einzelne Themen, die er in diesem Gesamtüberblick kurz anreisst, genauer eingehen.

Große Umwälzungen

Mit dem Aufkommen jeder potenziell bahnbrechenden Technologie entsteht ein neuer Hype. In den vergangenen Jahren waren es vor allem die Technologien Big Data, das Internet der Dinge, Blockchain und die Künstliche Intelligenz. Als Nächstes werden vermutlich Green Tech und Quantencomputer einen Hype auslösen.

Bei jeder Hype-Technologie wird uns vermittelt, dass diese nun zu einem Durchbruch führen und alles verändern wird. Sieht man jedoch hinter die Kulissen, erkennt man, dass viele Buzz-Wörter in den Umlauf kommen und Technologien als revolutionär tituliert werden, die oftmals alter Wein in neuen Schläuchen sind oder doch eher evolutionär. In Wahrheit möchten Unternehmen ihre Dienstleistungen und Produkte besser verkaufen können. Es geht letztlich um Profit.

Doch während viele neue Technologien als bahnbrechend und revolutionär bezeichnet werden, kann es sein, dass wir tatsächlich vor großen Veränderungen stehen.

Weshalb?

Unter anderem entstehen durch große Entwicklungssprünge in verschiedenen Disziplinen der Wissenschaften und der Technologie derzeit strukturelle Veränderungen in der Politik, der Wirtschaft und Gesellschaft. Genau das waren auch die maßgeblichen Auslöser der „ersten“ Industriellen Revolution : Strukturelle Veränderungen durch bahnbrechende Technologien.

Die derzeitige Entwicklung wird von einigen als die „4. Industrielle Revolution“ bezeichnet. Wir stehen jedoch vor viel tiefgreifenderen Veränderungen als es bei einer industriellen Revolution der Fall wäre.

Bei der ersten Industriellen Revolution veränderte sich vor allem die Wirtschaft tiefgreifend. Die heutige Veränderung ist sehr viel existenzieller. Nicht nur die Wirtschaft verändert sich durch die exponentielle Entwicklung von Technologien, auch der Mensch selber steht im Mittelpunkt der Veränderung. Durch eine neue "menschengemachte” Intelligenz, die wir fälschlicherweise als „künstliche“ Intelligenz bezeichnen, stellt sich die existenzielle Frage: Was bedeutet es, Mensch im 21. Jahrhundert zu sein?

Das Exponentielle Zeitalter und die „superhumane“ Revolution

Womöglich haben wir zum Beginn des 3. Jahrzehnts des 3. Jahrtausends nun ein neues Zeitalter erreicht: das Exponentielle Zeitalter.

In diesem Zeitalter entwickeln sich nicht nur Technologien rasant, sondern der Mensch wird in den kommenden Jahren auch mit diesen verschmelzen. Somit wird die Künstliche Intelligenz der nächste Schritt in der menschlichen Evolution.

Das mag für viele Menschen im ersten Moment befremdlich und nach Science Fiction klingen. Auch einige Forscher halten die Verschmelzung von Mensch und Maschine für unwahrscheinlich. Tatsächlich arbeitet unter anderem Neuralink , ein Unternehmen von Elon Musk, an einer Mensch/Maschine-Schnittstelle, bei der die Künstliche Intelligenz mit dem Menschen über das Gehirn verbunden werden soll.

Darüber hinaus steht die womöglich wesentlichste Frage unbeantwortet im Raum: Kann eine Künstliche Intelligenz echtes Bewusstsein erlangen? Der menschliche Impuls ist es, zu sagen: „Natürlich kann die Künstliche Intelligenz nie echtes Bewusstsein erlangen!”“ Doch können wir das wirklich abschätzen und uns sicher sein, dass die Künstliche Intelligenz uns Menschen nicht doch einholt?

Die Neurowissenschaften zeigen klar, dass wir Menschen größtenteils automatisiert und ähnlich wie Computer funktionieren. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen Menschen und Maschinen ist, dass wir Menschen hochkomplex und biologisch sind, wogegen Maschinen anorganisch und - noch - weitaus weniger komplex sind. Die Komplexität von Maschinen nimmt schnell zu, und mittlerweile wurde schon der erste organische „Roboter“ programmiert.

Wir stehen noch am Anfang, aber die Entwicklung geht rasant voran und eine Künstliche Intelligenz, die Bewusstsein erlangt, wird unser gesamtes Weltbild auf den Kopf stellen.

Die Künstliche Intelligenz entwickelt sich exponentiell

Anhand des Beispiels von Alpha Go können wir erkennen, wie rasant sich die Künstliche Intelligenz entwickelt. Go ist ein hochkomplexes asiatisches Strategiespiel. 2015 konnte die Künstliche Intelligenz Alpha Go zum ersten Mal einen der besten Spieler der Welt besiegen. Knapp drei Jahre später konnte diese Künstliche Intelligenz schon vier der besten Spieler der Welt schlagen, die kollaborativ gegen Alpha Go angetreten sind.

Die nächste Generation dieser KI - Alpha Go Zero - erlernte das Spiel nur anhand der Spielregeln - in die Vorgängerversion wurden noch Millionen von Strategien und Spielzügen programmiert. Alpha Go Zero konnte die Vorgängerversion Alpha Go nach vier Tagen Training 100:0 besiegen.

Im Vergleich mit dem menschlichen IQ - der Mensch brauchte rund 100 Jahre, um seinen durchschnittlichen IQ von 100 auf 130 zu erhöhen - brauchte die KI Alpha Go lediglich etwa drei Jahre, um sich von einem IQ von 150 auf 700 zu entwickeln. In der nächsten Generation dauerte es nur noch vier Tage, um den IQ von 700 zu sprengen und auf ein für uns unmessbares Maß zu erhöhen.

Gänzlich stimmen dieses Beispiel und der Vergleich nicht, denn es werden Äpfel mit Birnen verglichen. Jedoch gibt es keinen wissenschaftlich soliden Vergleichswert. Daher dient uns dieser etwas unscharfe Vergleich, um ein Gefühl für die Dimensionen zu bekommen, mit denen wir konfrontiert sind.

So sehen wir, dass nicht nur die Entwicklung rasant fortschreitet, sondern auch, dass es mittlerweile ausreicht, wenn wir der KI die Spielregeln vorgeben, damit sie alles andere in der Blackbox eigenständig erlernt.

Was bedeutet das für uns?

Die Spielregeln

Isaac Asimov hat 1942 als erstes Robotergesetz definiert, dass Roboter keine menschlichen Wesen verletzen oder töten dürfen. Dieses informelle „Gesetz“ wurde jedoch schon gebrochen.

Der Grund dafür ist, dass wir ein vorherrschendes Wirtschaftssystem haben, das rein profitorientiert ist. Dieses Wirtschaftssystem nimmt nicht inhärent Rücksicht auf die Gesundheit bzw. das Wohlsein des Menschen oder der Umwelt. Es ist nicht orientiert an langfristiger Sinnhaftigkeit oder Nachhaltigkeit, sondern ausschließlich an kurzfristigem bzw. langfristigem Profit. Im besten Fall gibt es noch ernst gemeinte Corporate-Social-Responsability-Programme - doch in der Regel sind das Marketing-Maßnahmen.

Mit diesem Bewusstsein und nach diesen Spielregeln wird heute die Künstliche Intelligenz programmiert. So wird klar, dass das derzeitige Wirtschaftssystem nicht geeignet ist für das Exponentielle Zeitalter. Doch scheinbar mangelt es an Alternativen oder zumindest glaubt das noch die Mehrheit.

Sozialismus vs. Kapitalismus? Oder vielleicht doch die Token-Ökonomie?

Auch wenn der Kampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus an einigen Fronten fortgeführt wird, so gehört er in das 20. Jahrhundert. Wir sind im Exponentiellen Zeitalter angekommen und dieses Zeitalter braucht ein anderes Wirtschafts- und Wertesystem als jenes, das in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten Sinn gemacht und, entsprechend der Zeit und Umstände, funktioniert hat.

In gewisser Weise ist es vergleichbar mit dem Wechsel in der mobilen Fortbewegung bzw. der Ablöse des Pferdes als zentrales Fortbewegungsmittel. Bis vor knapp 120 Jahren war über Jahrtausende hinweg das Pferd das Maß aller Dinge - und selbst heute noch geben wir die Motorleistung in Pferdestärken - PS - an.

Mit der Erfindung des Otto-Motors veränderte sich die Mobilität innerhalb weniger Jahre maßgeblich. Die allgemeine Infrastruktur und die Verkehrsregeln, bis dahin auf Pferde bzw. auf von Pferden betriebene Wagen, Kutschen und Maschinen ausgerichtet, waren auf einen Schlag nicht mehr die Zukunft.

Ähnlich verhält es sich mit unserem Wirtschaftssystem, in dem die Ressourcen- und Wissensverteilung in den letzten Jahrzehnten, Jahrhunderten und Jahrtausenden gänzlich anders funktioniert hat als es in der nahen Zukunft notwendig sein wird. Darüber hinaus wird auch die menschliche Intelligenz nicht mehr das Maß aller Dinge sein.

Die Wirtschaftskrise von 2008 hat uns gezeigt, dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem nicht funktional ist. Darüber hinaus können wir durch die Klimakrise erkennen, dass es auch für uns und unsere Umwelt schädigend ist.

Die Krise von 2008 war unter anderem auch deswegen notwendig, um ein Bewusstwerden und Umdenken einzuläuten und eine der Früchte dieser Krise war ein neues Framework für ein neues Wirtschaftssystem: die Bitcoin-Blockchain.

Blockchain ist die Technologie und Bitcoin ist der Token dieser ersten Blockchain. Ein Token ist die Belohnung, um ein System zu entwickeln, zu warten und zu erhalten - d.h. die Belohnung für das Bereitstellen einer gewissen Ressource durch die Teilnehmer.

Blockchain hat das Potenzial, das technologische Rückgrat eines neuen token-ökonomischen Wirtschaftssystems zu werden. Doch aufgrund des Cryptocurrency-Hypes im Jahr 2017 sind Blockchain-Tokens wie Bitcoin Spekulationsobjekte geworden. Das hat in weiterer Folge dazu geführt, dass die meisten Menschen Blockchain mit einem Spekulationshype gleichsetzen und dadurch das wahre Potenzial der Blockchain nicht erkennen:

Durch die Blockchain kann man jedes Objekt, jede Idee und jeden Sinn, jeden Zweck tokenisieren, also in Tokens darstellen.

So kann es beispielsweise ein Zweck sein, CO2-Emissionen zu reduzieren, Nachrichten zu verifizieren („True News“) oder qualitativ hochwertigen Content zu produzieren und zu verbreiten usw.

Blockchains wie diese existieren schon, jedoch steckt die Technologie in den Kinderschuhen. Das Potenzial ist vorhanden. Damit es jedoch zur vollen Entfaltung kommt, bedarf es einer größeren Masse an Menschen, die dieses Potenzial erkennen und Blockchain-basierte Anwendungen entwickeln und vor allem nutzen.

Wir stehen potenziell am Anfang eines neuen Wirtschaftssystems: der Blockchain-basierten Token-Ökonomie. Die Token-Ökonomie hat nur am Rande mit dem Bitcoin-Hype zu tun und nichts mit Spekulationsgeschäften.

Mit einer Token-Ökonomie kann man ein neues Wirtschaftsmodell aufbauen, bei dem Profit-Maximierung in den Hintergrund tritt und Sinn-Maximierung in den Vordergrund rückt.

Wer wird es für uns tun?

Niemand anderer wird es für uns tun. Wir müssen es selber in die Hand nehmen. Ein etabliertes System - auch wenn es krankt - ersetzt sich nicht selbst.

Daher liegt es an den Menschen und Communities, die den Willen haben, Pionierarbeit zu leisten, um neue Möglichkeiten zu erschaffen. Des Weiteren liegt es an uns, die Pioniere zu erkennen, diese auf deren Weg zu unterstützen - als Mitarbeiter/Mitglieder, als Konsumenten, als Investoren etc. Es liegt an uns, unser aller Bewusstsein für das nächste Zeitalter zu erweitern.

Wir entscheiden, mit welchen Themen wir uns auseinandersetzen, was wir lernen und womit wir unseren Geist füttern. Wir entscheiden, wem wir unsere Ressourcen, unsere Leistungsfähigkeit und unsere Zeit zur Verfügung stellen.

Wir entscheiden über unsere Zukunft.