Als Steve Jobs im Jahr 2007 das iPhone auf der Apple Keynote vorstellte, läutete er eine neue Technologie-Ära ein: die des Smartphones, und das iPhone wurde eines der erfolgreichsten Geräte. Die dafür entscheidende Innovation lag in seiner Bedienung.
Als Steve Jobs im Jahr 2007 das iPhone auf der Apple Keynote vorstellte, läutete er eine neue Technologie-Ära ein: die des Smartphones. Auch wenn das neue Gerät anfangs mit Skepsis beäugt wurde – zum Beispiel wegen seiner kurzen Akkulaufzeit oder der damals noch absurden Vorstellung, den Kopf an eine Glasplatte zu halten, um zu telefonieren – fand es doch in kürzester Zeit den Weg in unzählige Hand- und Hosentaschen auf der ganzen Welt.
Doch warum war das iPhone so erfolgreich? Musik und Filme immer dabei haben, mobil im Netz surfen oder unterwegs Mails schreiben, das konnten iPod, Palm und Blackberry schon zuvor. Diese Funktionalität auf einem Gerät zu vereinen war nicht ausschlaggebend für den Erfolg des Geräts.
Die entscheidende Innovation des iPhones lag viel mehr in seiner Bedienung: Denn an die Stelle von Knöpfen zum Navigieren und einer Tastatur für Text trat eine große, glänzende Glasscheibe. Das iPhone war ein digitales Gerät, im wahrsten Sinne des Wortes: „digitus“, von dem sich „digital“ ableitet, ist das lateinische Wort für Finger. Der Finger – und nicht etwa ein Stift – sollte verwendet werden, um das Gerät zu bedienen.·
Diese technische Innovation stellte die Designer des iPhones vor eine interessante Aufgabe: Wie soll eine Software gestaltet werden, die mit dem Finger berührt wird? Auf diese Frage hat Apple eine ganz eigene Antwort gefunden.
Die grafische Benutzeroberfläche
Die ersten Personal Computer wurden mittels Tastatur gesteuert: Man tippte Befehle in eine Programmzeile ein und wenn man alles richtig gemacht hatte, tat das Gerät, was man sich erhoffte.
Der nächste große Schritt in der Computertechnik war die grafische Benutzeroberfläche: Mit der Erfindung der Maus konnte man auf Icons zeigen, sie anklicken und bewegen.
Auch diese Technologie wurde übrigens durch Apple durchgesetzt. Bei einem Besuch im Forschungszentrum des Technikherstellers Xerox wurde Steve Jobs der erste Computer mit Maus vorgeführt. Die Forscher bei Xerox hielten nicht viel von der Technologie, doch Jobs erkannte sofort das Potenzial und verbaute sie im Apple Lisa, der 1983 auf den Markt kam.
Der Vorteil der Computer-Steuerung mit Maus liegt auf der Hand: Computer-Code zu lernen ist schwierig – Icons auf einem Desktop anklicken? Nicht wirklich. Dadurch wurden Desktop-Computer einer breiten Öffentlichkeit verständlich und zugänglich. So war der Slogan für den Macintosh-Computer, der ein Jahr später erschien: „Of the 235 million people in America, only a fraction can use a computer – Introducing Macintosh for the rest of us“.
Software-Realismus
Der Gedanke, Technologie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist bis heute Teil von Apples Kernstrategie und bestimmte entsprechend auch die Gestaltung des iPhones. Wie es bedient werden sollte, teilte es dem Nutzer nicht durch eine komplizierte Anleitung mit – sondern durch das Design seiner Software.
Die erste Version des iOS-Designs bemüht sich an vielen Stellen um Realismus, also um eine möglichst genaue Nachahmung der Wirklichkeit. Ein gutes Beispiel gibt uns das Design der Taschenrechner-App, wie sie auf dem ersten iPhone aussah. Was in diesem Fall – bis ins Detail – abgebildet wird, ist der Taschenrechner ET33 , den Dieter Lubs 1977 für die Firma Braun entwarf. Sein Layout, die Tasten und das Display lassen uns sofort erkennen, was dargestellt ist: eben ein Taschenrechner.
Doch wie er gestaltet ist, erklärt uns viel darüber, welche Strategie die Designer verfolgt haben, um dem Nutzer die Bedienung des Geräts zu erklären. Sehen wir genauer hin, fällt auf, dass auf den Tasten Reflexionen zu sehen sind, als wären sie aus Plastik – dabei handelt es sich nur um zweidimensionale Pixel auf einem Bildschirm. Es gibt keinen Grund, warum die Tasten reflektieren sollten, außer dem einen: dem Nutzer zeigen, dass es sich um einen plastischen Knopf handelt, der gedrückt werden kann. Diese realistische Darstellung eines Taschenrechners ist wie eine Einladung, die dem Nutzer sagt: „Ich funktioniere genau wie ein echter Taschenrechner“.
Ein anderes Beispiel ist die Notizen-App, wie sie später auf dem iPad gestaltet wurde. Statt eines weißen Text-Editors, in dem man mit Maschinenschrift schreibt, schreibt der Nutzer hier auf einem Notizblock in Schreibschrift. Die App ist gestaltet wie ein Notizblock: mit gelbem Papier, Abrisskante und Lederetui. Auch diese App kommuniziert dem Nutzer sofort, was ihr Zweck ist – Notizen machen – indem sie ein reales Objekt digital nachahmt.
Was dem iOS-Design an dieser Stelle gelingt, ist eine Verbindung der analogen mit der digitalen Welt. Es folgt den Überlegungen des Industriedesigners Raymond Loewy, der feststellte, eine Innovation sei dann erfolgreich, wenn sie dem MAYA-Prinzip folge: „most advanced, yet acceptable“. Auf Deutsch: So fortschrittlich wie möglich, jedoch noch so verständlich, dass es vom Kunden akzeptiert wird. Dies gelang Apple in beispielloser Weise und führte dazu, dass das iPhone schnell populär wurde.
Von Realismus zu Abstraktion
Doch so zugänglich dieses realistische iOS-Design war, so unelegant war es auch. Denn auch wenn die Nachahmung von Wirklichkeit einem Nutzer schnell erklärt, wie die Software funktioniert, verweist sie auf etwas außerhalb des Bildschirms. Mit anderen Worten: Das realistische iOS-Design passt nicht zum Medium Smartphone. Es bedient sich an vielen Stellen des sogenannten Skeuomorphismus: Es übernimmt Design-Elemente des analogen Objekts, obwohl sie für die Software nicht gebraucht werden.
Im obigen Beispiel sind Ledernaht, Abrisskante und Lineatur des Blocks zum Beispiel solche skeuomorphen Elemente. Sie sind Teil eines analogen Notizblocks, aber überflüssig bei einer Software, bei der Nähte nicht gebraucht werden, Abrisskanten nicht entstehen und die Schrift automatisch in einer Zeile bleibt, ohne dass Linien auf dem Papier notwendig wären.
Das realistische iOS-Design war nicht puristisch, nicht auf das Wesentliche reduziert, wie es bei Apple eigentlich üblich ist, sondern voller überflüssiger Ornamente. Das zu ändern war sicherlich ein Grund, warum im Jahr 2013 mit iOS 7 eine komplett neu designte iOS-Software auf den Markt kam.
iOS 7 – und die darauf folgenden Software-Versionen – orientieren sich an einer Ästhetik, die im Software-Design als „flat design“ bekannt ist: Die Apps sind keine dreidimensionalen Elemente mehr, sondern flach wie der Bildschirm, auf dem sie dargestellt sind. So sieht nun auch der Taschenrechner gänzlich anders aus: viel mehr nach Software als nach analogem Gerät.
Wo das erste iOS-Design noch Alltagsgegenstände nachahmte, orientiert sich das iOS-Design ab iOS 7 an den Lehren einer der einflussreichsten Gestaltungsschulen des 20. Jahrhunderts: dem Bauhaus. Das Bauhaus etablierte eine Ästhetik reduzierter, schnörkelloser Schriften und Grafiken. Daraus ging später der „International Typographic Style“ hervor, der radikal nüchterne, minimalistische Schriften schuf – zum Beispiel mit der Schriftart „Helvetica“. Wie der Namenszusatz „International“ sagt, war diese Art zu gestalten ein globales Projekt mit dem Ziel, eine Schrift herzustellen, die auf der ganzen Welt gelesen werden konnte. In diesem Zusammenhang entstanden auch die Piktogramme, die Informationen in Form von Bildern anstatt Worten kommunizierten – quasi die Vorläufer der heutigen Emojis.
An dieser Art, zweidimensionale Oberflächen zu gestalten, orientiert sich seither Apples neues Software-Design. Die Software wurde flach wie der Bildschirm, auf dem sie dargestellt ist, wodurch sie sich dem Medium Smartphone besser anpasste.
Doch bloßer Purismus war vermutlich nicht das einzige Motiv für die Neugestaltung von iOS 7. Dieses abstrakte Design findet sich zum Beispiel auch auf U-Bahn-Plänen, Leitsystemen am Flughafen oder Notausgangs-Schildern, da es wegen seiner aufs Wesentliche reduzierten Gestaltung universell verstanden wird.
Ein solches kulturell unabhängiges und somit auch universelles Design einzusetzen war für Apple sinnvoll, um seine Software für Märkte auf der ganzen Welt zugänglich zu machen. Denn nicht zufällig erschien iOS 7 im gleichen Jahr, in dem Apple ankündigte, das iPhone auch auf dem chinesischen Markt verfügbar zu machen.
Die Zukunft des Displays
Wir haben gesehen, welche Entwicklung das Software-Design des iPhones durchlaufen hat – aber wie sieht die Zukunft aus?
Darüber lässt sich natürlich nur spekulieren, doch gibt es aus einer medienwissenschaftlichen Perspektive zwei markante Tendenzen, durch die sich Apple-Produkte auszeichnen.
Erstens „rücken“ die Displays näher an den Menschen. Aus Desktop-Computern wurden tragbare Laptops, bald hatte man sein Smartphone in der Hosentasche immer dabei, mittlerweile trägt man die Apple Watch am Arm. Apple setzt mit seinen Produkten darauf, im Alltag permanent präsent zu sein.
Zweitens wird dem Bildschirm – und damit der Software – immer mehr Platz eingeräumt, dem Gerät selbst aber immer weniger: Hatte das erste iPhone noch einen 3,5-Zoll-Bildschirm und eine Dicke von knapp 12 Millimetern, so misst die Bildschirmdiagonale beim iPhone XS 3 Zoll mehr und ist fast nur noch halb so dick.
Die Unternehmensstrategie geht also dahin, dass wir permanent mit Apple-Software interagieren, während gleichzeitig das Gerät, auf dem wir die Software sehen, immer weniger spürbar wird. Die logische Folge wäre eine Technologie, bei der wir nur noch Software erleben, ohne uns des technischen Geräts bewusst zu sein. Zum Beispiel mit einer Augmented-Reality-Brille im Stil von Google Glass oder Microsofts Hololens. (Oder eben mit Siri – Anm. d. Redaktion).