Das neue Gimp 2.10: Tipps für den Linux-Einsatz

Die Entwickler haben Gimp mit Version 2.10 einen neuen Unterbau spendiert, der für mehr Geschwindigkeit und Komfort sorgt. Außerdem gibt es etliche neue und spannende Funktionen.

Gimp, das GNU Image Manipulation Program ist neben Libre Office und Firefox eines der wichtigsten Open-Source-Großprojekte für den Desktop. Die Bildbearbeitung genügt auch professionellen Ansprüchen bei der Erstellung, Gestaltung und Bearbeitung von Grafikdateien. Es eignet sich für alle Nutzer, die unter Windows beispielsweise Adobe Photoshop verwenden, auch wenn Gimp dessen Funktionsumfang noch nicht erreicht. Nach sechsjähriger Entwicklungszeit steht Gimp 2.10 seit Ende 2018 endlich zum Download bereit. Sechs Jahre sind eine lange Zeit, entsprechend üppig fallen auch die Neuerungen gegenüber der Vorgängerversion aus.

1. Gimp 2.10.2 installieren

Es gibt mehrere Wege, Gimp unter Linux einzurichten. Wenn Sie Gimp über ein herkömmliches DEB-Paket neu installieren wollen, verwenden Sie ein PPA (Personal Package Archive). Ist Gimp bereits installiert, lässt sich das Programm damit aktualisieren. Die bisherige Version steht dann nicht mehr zur Verfügung. Führen Sie die folgenden drei Befehlszeilen aus:

sudo add-apt-repository ppa:otto-kesselgulasch/gimp

sudo apt-get update

sudo apt-get install gimp

Flatpak: Die Gimp-Entwickler empfehlen die Installation als Flatpak. Dabei handelt es sich um Softwarepakete, die eine eigene Laufzeitumgebung unabhängig vom installierten Betriebssystem verwenden. Der Vorteil: Sie können bei Bedarf auch die ältere Gimp-Version aus dem Repositorium der Distribution weiterverwenden und Sie erhalten schneller Updates. Neben Gimp müssen für Flatpak jedoch zahlreiche Pakete der Laufzeitumgebung eingerichtet werden, was insgesamt etwa ein GB Speicherplatz auf der Festplatte belegt. Flatpack-Apps benötigen zumindest für den ersten Start etwas länger und belegen mehr Systemressourcen. Ein weiterer Nachteil: Da Flatpak-Apps abgeschottet in einer Sandbox laufen, ist der Datenaustausch mit anderen Programmen nicht möglich, beispielsweise beim Import von RAW-Dateien (siehe Punkt 4).

Flatpak ist beispielsweise in Fedora seit Version 25 oder in Linux Mint seit 18.3 standardmäßig installiert. Bei Ubuntu 16.04 oder 18.04 fehlt die Software. Für die Installation führen Sie in einem Terminalfenster diese drei Befehle aus:

sudo add-apt-repository ppa:alexlarsson/flatpak

sudo apt update

sudo apt install flatpak

Bei Ubuntu 18.04 können Sie zusätzlich mit

sudo apt install gnome-software-plugin-flatpak

Flatpak in Ubuntu-Software integrieren und Flatpak-Pakete dann auch über die grafische Oberfläche installieren oder wieder entfernen. Die aktuelle Gimp-Version – zur Zeit 2.10.2 – installieren Sie dann mit dieser Zeile:

flatpak install https://flathub.org/repo/appstream/org.gimp.GIMP.flatpakref

Beantworten Sie alle Fragen mit „y“ und bestätigen Sie mit der Eingabetaste.

Installation als Snap-App:Ab Ubuntu 16.04 sind die für Snap erforderlichen Komponenten bereits vorinstalliert. Snap-Apps funktionieren ähnlich wie Flatpak-Pakete und haben die gleichen Vor-und Nachteile. Für die Installation starten Sie Ubuntu-Software, suchen nach Gimp und klicken auf den ersten Eintrag im Suchergebnis. Unter „Details“ steht hinter „Quelle“ die Angabe „Snap-Store“. Wenn nicht, haben Sie die Seite für die Installation aus dem Ubuntu Repositorium aufgerufen („Quelle: ubuntu-bionic-universe“, zur Zeit Version 2.8.22-1). In diesem Fall blättern Sie zu Seite mit dem Suchergebnis zurück und wählen einen anderen Eintrag.

Klicken Sie hinter „Kanal“ auf die Schaltfläche „stable“. Sie sehen dann, welche Versionen verfügbar sind. Bei Fertigstellung dieses Artikels ließ sich die aktuellste Version „2.10.8“ hinter „edge“ per Klick auf „Switch“ auswählen. Klicken Sie anschließend auf „Installieren“. Nach Abschluss der Installatiown klicken Sie auf „Berechtigungen“. Aktivieren Sie „Dokumente ausdrucken“ und „Lese/Schreibe Dateien auf mobilen Datenträgern“, wenn Sie diese Funktionen nutzen möchten.

Bei unseren Tests Ende Juni 2018 fehlte der Snap-App von Gimp mindestens eine Funktion: Es war nicht möglich, „heic“-Dateien zu öffnen, weil die dafür nötige Programmbibliothek fehlte (siehe Kasten „Unterstützung für Apples HEIF-Bildformat“). Das Problem wird aber wahrscheinlich durch eins der nächsten Updates behoben.

Gimp aufrufen:Starten Sie Gimp über eine Suche im Dash (Ubuntu 16.04) oder in den „Aktivitäten“ (Ubuntu 18.04). Sollte die Suche direkt nach der Installation nicht fündig werden, melden Sie sich bei Ubuntu ab und wieder an.

2. Änderungen bei Oberfläche und Bedienung

Gimp zeigt nach dem Start eine weitestgehend deutschsprachige Oberfläche. Vereinzelt stoßen Sie auf englischsprachige Beschriftungen. Über „Bearbeiten –› Einstellungen“ können Sie im Bereich „Oberfläche“ auch eine andere Sprache oder „English [en_US]“ einstellen. Das kann hilfreich sein, wenn Sie englischsprachige Gimp-Tutorials nachvollziehen wollen.

Standardmäßig startet das Programm im Einzelfenster-Modus. Wenn Sie frei positionierbare Fenster bevorzugen, entfernen Sie das Kreuzchen unter „Fenster –› Einzelfenster-Modus“. Bei der Aufteilung der Gimp-Benutzeroberfläche gibt es keine grundlegenden Änderungen, außer dass jetzt ein graues statt einem weißen Thema zum Einsatz kommt. Gimp versucht für hochauflösende Monitore die optimale Einstellung zu finden, damit die Elemente gut sichtbar sind. Über „Bearbeiten –› Einstellungen“ können Sie unter „Oberfläche –› Thema“ die Darstellung ändern und auch ein helles Thema auswählen. Unter „Oberfläche –› Symbol Thema“ stellen Sie die dafür passenden Icons ein und ändern bei Bedarf die Symbolgröße. Für einige Abbildungen in diesem Artikel haben wir das Thema „System“ und das Symbolthema „Legacy“ aktiviert.

Wer sich in Gimp bereits auskennt, wird die neue Suchfunktion zu schätzen wissen, die sich über das Menü „Hilfe –› Einen Befehl suchen und ausführen“ aufrufen lässt. Tippen Sie einen Suchbegriff ein, beispielsweise „Transform“. Per Doppelklick auf ein Suchergebnis in der Liste gelangen Sie sofort zur gewünschten Funktion, etwa zum neuen Werkzeug „Vereinheitlichte Transformation“ (siehe Punkt 5). Die Ergebnisliste passt sich dynamisch an. Häufig genutzte Funktionen erscheinen weiter oben in der Liste.

3. Die neue GEGL-Grafikbibliothek

Zu den wichtigsten Neuerungen von GIMP 2.10 zählt die GEGL Image Processing Engine. Die Engine führt Pixelberechnungen deutlich schneller und genauer durch und ermöglicht neue Funktionen. Gimp 2.8 konnte nur mit acht Bit pro Farbkanal rechnen, bei Gimp 2.10 sind es bis zu 32 Bit. Es ist daher jetzt möglich, HDR-Formate wie PSD, TIFF, PNG, EXR und RGBE zu öffnen und zu exportieren. Über „Bild –› Genauigkeit“ können Sie bei einem geöffneten Foto die Farbtiefe einstellen, beispielsweise auf „32-Bit-Fließkommazahl“. Importierte RAW-Fotos besitzen in der Regel dieses Format (siehe Punkt 4). Durch Umwandeln wird ein Standardbild mit acht Bit natürlich nicht besser, aber mit 32 Bit lassen sich feinere Details herausarbeiten, etwa wenn Sie Filter anwenden.

Eine weitere Beschleunigung erreicht Gimp durch verbessertes Multithreading, wobei Aufgaben auf mehrere Prozessorkerne verteilt werden. Das kommt zwar nicht bei allen Gimp-Funktionen zum Einsatz, wird aber teilweise durch GEGL und Programmcode in Gimp realisiert. Zur Verbesserung der Leistung kann Gimp auch den Prozessor der Grafikkarte (GPU) verwenden. Die Optionen dafür finden Sie über „Bearbeiten –› Einstellungen“ unter „Systemressourcen“. Passen Sie die Anzahl der Threads bei Bedarf an und setzen Sie für die Nutzung der GPU unter „Hardware-Beschleunigung“ ein Häkchen vor „OpenCL verwenden“.

Ein weiterer Vorteil von GEGL ist, dass Sie jetzt im linearen RGB-Farbraum und auch im an die Wahrnehmung angepassten Farbraum arbeiten können. Sie sehen das beispielsweise, wenn Sie für Farbanpassungen auf „Farben –› Kurven“ gehen. In der Zeile hinter „Kanal:“ gibt es die zwei neuen Schaltflächen „Adjust curves in linear light“ und „Kurve nach Wahrnehmung anpassen.“

Dank GEGL sehen Sie jetzt nicht nur ein kleines Vorschaubild, etwa bei „Filter –› Weichzeichnen –› Gaußscher Weichzeichner“, sondern Gimp wendet die Einstellungen im Filter direkt auf das Bild an. Sehr praktisch ist in diesem Dialog auch „Ansicht teilen“. Wenn Sie hier ein Kreuzchen setzen, teilt eine vertikale Linie das Bild. Sobald Sie die Werte für den Weichzeichner ändern, erscheint im linken Bildbereich eine Vorschau der Einstellung, die Sie direkt mit dem unveränderten rechten Teil des Bildes vergleichen können. Die Vorschaufunktion und „Ansicht teilen“ gibt es auch in anderen Dialogen, die GEGL verwenden, beispielsweise „Farben –› Farbabgleich“, „Farben –›Belichtung“ oder „Filter –› Licht und Schatten –› Schlagschatten“.

4. Bilder im RAW-Format öffnen

Bilder im RAW-Format lassen sich in Gimp weiterhin nicht direkt öffnen. Hierzu muss Darktable ab Version 1.7 oder Rawtherapee ab Version 5.2 aushelfen. Sie finden beide Programme über den Paketmanager Ihrer Linux-Distribution. Ist beispielsweise Darktable installiert, gehen Sie in Gimp auf „Datei –› Öffnen“ und wählen die gewünschte RAW-Datei. Die Datei öffnet sich in Darktable und Sie bearbeiten das Bild nach Ihrem Geschmack. Wenn Sie Darktable schließen, öffnet sich das Bild automatisch in Gimp. Bei unseren Tests funktionierte die Zusammenarbeit mit Darktable nur bei der PPA-Version von Gimp (siehe Punkt 1). Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da Snap-und Flatpak-Apps keinen Zugriff auf die Daten anderer Programme haben. Die Installation von Darktable als Snap-oder Flatpak-App ändert daran erwartungsgemäß nichts. Eine denkbare Lösung wäre es, dass die Entwickler Gimp und Darktable zusammen in einem Paket ausliefern.

5. Neue Tools für die Bildtransformation

Unter „Werkzeuge –› Transformationen“ finden Sie Funktionen, um eine Ebene, eine Auswahl oder einen Pfad zu verändern. Ein typisches Beispiel zeigt das Bild auf der nächsten Seite mit dem Notebook. So wie das Gerät steht, laufen in der Perspektive die Linien schräg nach hinten auf einen Fluchtpunkt zu. Im fertigen Bild soll das Notebook einen anderen Inhalt auf dem Bildschirm zeigen als im Original. Dazu öffnen Sie das Bild mit dem Notebook in Gimp und dann über „Datei –› Als Ebenen öffnen“ das Bild, das Sie einbauen möchten. Sollte es zu groß oder klein sein, bringen Sie es zuerst über „Werkzeuge –› Transformationen –› Skalieren“ ungefähr auf die passende Größe. Danach rufen Sie die neue Funktion über „Werkzeuge –› Transformationen –› Vereinheitlichte Transformation“ auf. Über die großen Quadrate an den Ecken und die etwas kleineren am Rand lassen sich Höhe und Breite ändern (skalieren). Die auf der Spitze stehende Quadrate am Rand stellen das Bild schräg (scheren, kippen) und wenn Sie die kleinen Quadrate innerhalb des größeren an den Ecken ziehen, ändern Sie die Perspektive. Das Symbol am Mauszeiger ändert sich abhängig von der Funktion.

Das hört sich kompliziert an, aber letztlich müssen Sie es nur schaffen, das Bild so zu verzerren, dass die Ecken des Bildes genau auf den Ecken des Notebookbildschirms liegen. Die richtige Perspektive ergibt sich dabei automatisch. Wenn Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind, klicken Sie auf „Transformation“.

Der Punkt „Werkzeuge –› Transformationen –› Gitter Transformation“ ist ebenfalls neu. Die englischsprachige Bezeichnung „Handle Transform Tool“ beschreibt die Funktion etwas genauer. Per Mausklick setzen Sie einen Handle, also einen Anfasser, beispielsweise an der linken Seite in das Bild. Wenn Sie diesen mit der Maus ziehen, verschieben Sie das Bild. Klicken Sie mit der Maustaste weiter rechts in das Bild. Wenn Sie den zweiten Anfasser ziehen, skalieren oder drehen Sie es. Mit einem dritten Anfasser lässt sich das Bild scheren.

6. Verbesserungen bei den Farbverläufen

Eine der wichtigsten Neuerungen ist eine bessere Bearbeitung des Farbverlaufs. Bisher konnten Sie einen Farbverlauf nur einfach zwischen zwei Punkten aufziehen und Gimp hat das Bild oder die Auswahl sofort mit dem eingestellten Verlauf gefüllt. In Gimp 2.10 gibt es mehr Optionen, um Farbverläufe besser und auch nachträglich anzupassen.

So nutzen Sie die neue Funktion: Laden Sie zuerst das zu bearbeitende Foto in Gimp und duplizieren Sie die Ebene über „Ebene –› Ebene duplizieren“. Fügen Sie eine neue Ebene über „Ebene –› Neue Ebene“ hinzu und wählen Sie dabei in den Eigenschaften der Ebene den Modus „Weiche Kanten“ und als Füllung „Transparenz“. Danach klicken Sie diese Ebene auf dem Reiter „Ebenen“ an und verwenden in der Werkzeugkiste den „Farbverlauf“. Alternativ drücken Sie die G-Taste. Ziehen Sie den Farbverlauf über den gewünschten Bereich – von der einen zur anderen Ecke – und betrachten Sie das erste Ergebnis. Wenn Sie das Werkzeug anwenden, sehen Sie den Dialog „Farbverlauf“, in dem Sie die Parameter ändern können, beispielsweise die Vordergrund-und die Hintergrundfarbe des Farbverlaufs. Sollte der Dialog nicht erscheinen, blenden Sie ihn per Doppelklick auf das Werkzeug „Farbverlauf“ ein.

Durch Bewegen der beiden Kreuze im Bild lässt sich der Farbverlauf individuell anpassen. Darüber hinaus können Sie per Mausklick auf die Verlaufslinie eine beliebige Anzahl von Stopp-Punkten setzen. Damit legen Sie den Farbverlauf für einen Abschnitt des Bildes fest. An jedem Stopp-Punkt sind neue Definitionen für die Vorder-und Hintergrundfarbe möglich, außerdem lassen sich die Stopp-Punkte auf der Farbverlaufslinie beliebig hin-und herschieben.

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