iPad 10,2 Zoll 2020 im Test: Doppelt so schnell wie Vorgänger, knausert beim

Das neue iPad ist schnell und leistungsfähig, für den niedrigen Preis kann man kleinere Schwächen verzeihen.

Wäre das iPad Pro ein Mensch, würde es vermutlich ein wenig die Nase über das neue Basis-iPad mit 10,2-Zoll-Display rümpfen – mit seinen breiten Ränder und dem Home-Button wirkt es fast ein wenig altmodisch. Insgeheim fragt sich aber wohl manch Nutzer eines iPad Pro, ob er für sein Edel-iPad vielleicht viel zu viel bezahlt hat? Mit 370 Euro kostet das Tablet halb so viel wie das neue iPad Air und etwa ein Drittel eines iPad Pro. Das hat offensichtlich schon viele überzeugt: Nicht nur Schulen entscheiden sich meist für das günstige Basis-Modell, in den Rankings von Preisvergleichsseiten ist Apples iPad das beliebteste Tablet.

Tolle Performance

Meistens ist es eine gute Idee, das Auslaufmodell eines Macs oder iPad zu kaufen, beim iPad 7 wären wir uns da nicht so sicher – hat doch das identisch aussehende neue iPad 8 dank der schnelleren CPU einen großen Performancesprung gemacht und ist auch für kommende Anforderungen besser gerüstet. Statt des gemächlichen A10 kommt nun der deutlich schnellere A12-Chip zum Einsatz, der letztes Jahr noch dem iPad Air 3 vorbehalten blieb und auch im iPhone XS steckt. Vom Geekbench-Ergebnis 746/1373 Punkte steigert sich das neue Modell auf beachtliche 1112/2279 (Leistung im Single-Core-Test und Multi-Core-Test). Auch komplexe Webseiten laden sich fast ohne Zeitverzögerung und lassen manches aktuelle Android-Tablet lahm aussehen. Die ebenfalls verbesserte Grafikleistung ist in unseren Tests mehr als doppelt so hoch: GFXBench (Metal 1080p Manhatten, Offscreen) bescheinigt dem iPad 7 3848 Punkte, dem neuen Modell 9119 Punkte – ist also auch bei Grafik-Aufgaben mehr als doppelt so schnell. Eine gute Nachricht für Spielefans und Abonnenten von Apple Arcade!

Auch über das Tempo des internen Speichers muss man sich nicht beschweren, Antutu bescheinigt dem iPad eine Performance von 712 MB/s beim Lesen und 363,3 MB/S beim Schreiben (erfahrungsgemäß ist allerdings die 32-GB-Version langsamer). Schade: Daten von einer Kamera oder einem Speicherkartenleser überträgt das Gerät über Lightning deutlich langsamer als ein USB-C-iPad. Statt dem modernen WiFi 5 unterstützt das Gerät außerdem nur WiFi 4, statt Bluetooth 5 nur Bluetooth 4.2, das ist aber in der Praxis wohl nur begrenzt von Bedeutung.

Ist das Konzept veraltet?

Das Konzept des iPads wirkt altmodisch, iPhone und iPad Pro bieten die neue und sichere Anmeldung per Face-ID und elegante schmale Bildschirmränder. Die Hometaste mit Touch-ID hat aber Vorzüge – so funktioniert sie schließlich mit Maske und die Anmeldung per Fingerabdruck erfolgt oft schneller und komfortabler als per Gesichtsscan. Für Heimanwender ist ein Fingerabdrucksensor außerdem wohl sicher genug, auch das neue iPad Air muss schließlich auf Face-ID verzichten. Die etwas breiteren Bildschirmränder sind nach Meinung des Autors nicht nur von Nachteil – beim Surfen oder Blättern in PDFs kommt es dadurch seltener zu Touch-Fehlbedienungen.

Bemängeln würden wir eher das stattliche Gewicht, das iPad 10,2 ist mit 490 Gramm einige Gramm schwerer als das iPad Air 4 und auch das iPad Pro 11. Will man ein wirklich leichtes und handliches iPad, muss man allerdings schon zum 300 Gramm schweren iPad Mini greifen.

Guter Bildschirm

Beim Vorgänger von 2019 hatten wir den 10,2-Zoll-Bildschirm bereits ausführlich getestet , sowohl Leuchtkraft als auch Farbdarstellung sind ausgezeichnet und sorgten beim letztjährigen Test für Begeisterung. Statt dem P3-Farbraum wird zwar nur der sRGB-Farbraum dargestellt, das wird aber wohl nur Fotografen auffallen. Mit knapp 500 cd/qm ist das Panel für die Arbeit im Freien hell genug. Night Shift wird unterstützt, die automatische Farbkorrektur TrueTone allerdings nicht. 10,2-Zoll ist eine deutliche Verbesserung zum alten 9,7-Zoll-Formfaktor, im direkten Vergleich mit einem iPad Pro 11-Zoll wirkt das Display aber deutlich kleiner. Grund dafür ist wohl auch das andere Format: Das iPad 10,2 nutzt das traditionelle 4:3-Format, das iPad Pro ein etwas weiteres 4,3:3-Format. Die Abmessungen von 10,2-Zoll sind aber ein guter Kompromiss zwischen Größe und Handlichkeit. Die größte Schwäche des Bildschirms ist die Neigung zum Spiegeln – hier ist das iPad Pro dank Volllaminierung und Entspiegelung klar überlegen. Sitzt man etwa neben einem Fenster oder mit dem Rücken zu einer Lampe, wird man bei einem iPad Pro deutlich weniger von Spiegelungen abgelenkt. Dies stört aber offensichtlich nur wenige, so sind von Nutzern des iPad nur selten Beschwerden zu hören.

Akkulaufzeit und -ladezeit

Ein iPad sollte einen ganzen Arbeitstag durchhalten, was beim 10,2-Modell kein Problem sein sollte. Der Akku fasst stolze 8557 mAh, deutlich mehr als das iPad Pro 11-Zoll mit 7732 mAh. Die Laufzeit ist ausgezeichnet, bei unserem Surftest hält das neue iPad 12 Stunden und 21 Minuten durch – etwa 20 Minuten länger als der Vorgänger. Beim zweiten Test, dem Abspielen eines Videos mit voller Helligkeit, hält das iPad wie sein Vorgänger knapp 6 Stunden durch.

Erstmals liegt dem iPad ein angemessenes Ladegerät bei, ein USB-C-Ladegerät mit 20W statt 12W-Leistung. Etwas enttäuscht sind wir aber vom erzielbaren Aufladetempo: Ein iPhone kann man in 30 Minuten zur Hälfte aufladen, selbst am schnellen mitgelieferten Netzteil schafft das iPad aber in diesem Zeitraum gerade einmal 15 Prozent. Erst nach vier Stunden und 21 Minuten ist das Gerät komplett geladen, gerade einmal eine halbe Stunde schneller als der Vorgänger am 12W-Ladegerät. Kein Wunder: Wie wir in Apples Dokumentation nachlesen, ist das iPad nicht bei den Geräten mit Schnellladefunktion aufgeführt. Je nach Einsatzart kann dies ein recht lästiger Nachteil sein.

Foto und Video

Die Kameras des iPads sind alte Bekannte, die Hauptkamera entspricht der Kamera eines iPhones 6 und ist gar nicht so schlecht. Bei guten Lichtverhältnissen sind gute Fotos möglich, die Auflösung von 8 Megapixeln ist für Web und Social Media völlig ausreichend. Mit der Fotoqualität neuerer iPhones und auch dem iPad Pro kann sie aber nicht mithalten, diese bieten bessere Sensoren und Objektive. Bei schlechten Lichtverhältnissen und in Innenräumen sieht man schnell Bildrauschen und bei näherer Betrachtung fällt die niedrige Auflösung auf. Leider steht auch kein Blitz zur Verfügung. Viele werden für die Porträts und Urlaubsfotos eh zum iPhone greifen, oft nutzt man das iPad aber für Dokumentation-Fotos oder das Abscannen von Dokumenten oder Briefen. Gerade hier wäre ein Blitz recht nützlich. Die Selfie-Kamera ist für Porträts einfach ungeeignet und produziert nur arg verpixelte Fotos. Für die Videokonferenz ist die Bildqualität aber ausreichend. An moderne Foto-Funktionen wie Porträt-Effekte oder gar Nachtaufnahmen ist aber bei beiden Kameras nicht zu denken. Die Videoaufnahmen sind bei Nutzung der Hauptkamera akzeptabel, hier stehen aber nur 1080p als Maximalauflösung zur Verfügung, immerhin Videostabilisierung und Videozoom. Auch bei Videos empfehlen wir aber, auf gute Lichtverhältnisse zu achten. Auf Funktionen wie Animoji und Emoji muss man verzichten, auch dies bleibt auf den iPads den Pro-Modellen vorbehalten.

Größte Schwäche: Der Speicherplatz

Das erste iPad wurde zwar noch mit 16 GB Speicher ausgeliefert, die 32 GB des iPad 8 sind aber eigentlich zu wenig. Eine 64-GB-Version würden wir empfehlen, leider gibt es das iPad weiterhin nur mit den beiden Speichervarianten 32 und 128 GB – und für letztere wird ein Aufpreis von knapp hundert Euro fällig. Laut Top-Verkaufslisten ist das Modell mit 32 GB weiterhin der Renner, wenn auch viele Käufer schnell Platzprobleme haben werden. Vor allem Einsteigern würden wir deshalb zum Modell mit 128 GB raten. Wird es aber fast nur für Surfen, E-Mail und Youtube benutzt und nutzt man ein paar Platzspartricks wie das Auslagern der Fotos, kommt man auch mit dem kleinen Modell zurecht.

Lautsprecher

Viele nutzen das iPad für Videokonferenzen, aber auch für das Abspielen von Musik und Videos. Hier sind gute Lautsprecher hilfreich, die das iPad bieten kann. Mit dem tollen Vier-Lautsprecher-System eines iPad Pro kann das iPad nicht mithalten, bei mäßiger Lautstärke ist die Tonqualität aber völlig in Ordnung.

Tastatur und Pencil

Was man nicht unterschätzen sollte, ist die Unterstützung des Apple Pencil (der ersten Generation) und des Apple Smart Keyboard. Es gibt noch zahlreiche andere Stifte und unzählige Tastaturen für iPads, nur wenige bieten aber eine so gute Integration. Das gilt vor allem für den Pencil, aber auch für die Tastatur. Die Tastatur des iPads ist ein alter Bekannter, Apple hatte sie erstmals mit dem iPad Pro 10,5 (noch eine andere Bildschirmgröße) eingeführt. Die Stärke gegenüber den Konkurrenten von Drittherstellern ist die Unterstützung des Smart Connector: Über diese Spezialschnittstelle wird die Tastatur mit Energie und Steuerbefehlen versorgt, was die üblichen Bluetooth-Probleme und Akku-Ärger verhindert – etwa wenn man die Tastatur nur alle paar Monate benutzt. Smart Keyboard gibt es wenig auszusetzen, die neueren (und teureren) Tastaturen bieten allerdings besseres Tippgefühl und zwei bzw. einen stufenlosen Neigungswinkel. Ein iPad für 370 Euro mit einer Tastatur für 175 Euro und einem Bedienstift für 95 Euro zu paaren, ist allerdings happig. Allerdings waren Pencil und Tastatur auch eher für iPad-Pro-Käufer konzipiert und weniger für knappe Bildungseinrichtungen und sparsame Studenten. Apple selbst weist deshalb in seinem Store auf günstige Alternativen von Logitech hin, etwa den günstigen Logitech Crayon. Vielleicht findet man aber schließlich auch einen Käufer eines iPad Pro, der seinen alten Pencil und seine alte Tastatur nun nicht mehr benötigt?

Der Apple Pencil passt nach unserer Meinung zum iPad weit besser als eine Maus, die von iPadOS unterstützt würde. Nutzen kann man allerdings nur den alten Pencil 1, der neue verbesserte Pencil 2 bleibt den teureren iPads vorbehalten. Neben dem einfachen Skizzieren und Markieren bietet iPadOS 14 zudem die neue Funktion Scribble oder „Kritzeln“. In ausgewählten Apps wie Pages oder Notizen kann man Text handschriftlich eingeben und dieser wird sofort in editierbaren Text umgewandelt. Leider funktioniert dies bisher nur auf Englisch und Chinesisch, ab wann auch Deutsch unterstützt wird, ist unbekannt. Stellt man sein iPad auf Englisch um, kann man die Funktion aber bereits ausprobieren.

Ein nachhaltiges Tablet

Vor Jahrzehnten war das Auspacken eines Apple-Gerätes noch das Enthüllen eines Kunstwerkes, das aus zahllosen Folien, Schaumstoffhüllen und Schutzhüllen hervorgeholt wurde. Aus heutiger Sicht aber üble Rohstoffverschwendung, auch die teuersten Geräte sind deshalb nüchtern und platzsparend verpackt und Apple setzt auf möglichst wenig Plastik. Aber auch bei den Materialien hat sich Apple Mühe gegeben, auf Nachhaltigkeit zu achten. So ist das iPad komplett aus recyceltem Aluminium hergestellt und ein ausführlicher Umwelt-Bericht kann abgerufen werden .

Fazit:

Das iPad 10,2-Zoll ist kein Schnäppchen, bietet aber ein erstklassiges Preis-Leistungs-Verhältnis. Käufer erhalten ein schnelles und ausgereiftes Tablet, das einfach bedienbar ist. Wie schon bei anderen Geräten ärgern wir uns etwas über Apple Speicher-Angebote: Ideal ist es für Anwender, die mit 32 GB auskommen, mit LTE und 128 GB Speicher erreicht man leider schnell iPad-Air-Niveau. Vor dem Kauf sollte man sich vielleicht erst das neue iPad Air 4 ansehen, auch das Auslaufmodell iPad Air 3 ist aktuell recht günstig zu haben.